Die Veranstaltung

Ein Diskussionsabend am 28. Oktober 2009 im Vorlauf zur GG2
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Frank
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Frank
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Ankündigung

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Sinnlos zocken und doch was lernen?!
Gesprächsabend in Ober-Roden zu Computerspiel zwischen Kritik und pädagogischer Aufwertung

Die erwachsene Öffentlichkeit in Deutschland ist alarmiert: Gehen Kinder und Jugendliche an Online- und andere Computerspiele verloren? Gleichzeitig fühlen sich junge Menschen mit ihrer Freude am Spiel in virtuellen Welten missverstanden und in eine Ecke gedrängt.
Die Gefahren und Risken einerseits und die pädagogischen Chancen andererseits des Computerspielens – mit diesem Thema beschäftigt sich die Veranstaltung „Sinnlos zocken und doch was lernen?!“ in der Reihe „Evangelisch betrachtet“ am Mittwoch, den 28. Oktober 2009 in der Evangelischen Kirchengemeinde Ober-Roden., Rathenaustr. 1.
Boris Slamka, Referent für Gesellschaftliche Verantwortung der evangelischen Dekanate Dreieich und Rodgau, diskutiert mit dem Lehrer Werner Damm von der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule Rödermark, mit Medienpädagoge Frank Daxer, dem Computerspieler Martin Müller und mit Patrik Schönfeldt vom Vorstand des Verbands für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC). Beginn ist um 20 Uhr.
Frank
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Pressemitteilung

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Computerspiele und ihre Wirkung Thema bei „Evangelisch betrachtet“

Für die einen ist es bloße Zeitverschwendung und ein Konkurrent zu schulischen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen, für die anderen das Tor zu einer neuen multimedialen Welt, die soziale Kontakte und persönliche Fertigkeiten eher fördert als verhindert: „Sinnlos zocken und doch was lernen!?“ lautete der Titel eines Gesprächsabends zum Thema „Computerspiele“. Das Dekanat Rodgau hatte im Rahmen der Gesprächsreihe „Evangelisch betrachtet“ Fachleute und Interessierte eingeladen.

Vor allem die Argumente von Eltern und „Gamern“, also Computerspielern, machten die Spannungsfelder deutlich, in denen sich auch die Auseinandersetzung in Familien um die Vorherrschaft über den Computer abbilden. „Es ist ein ständiger Kampf“, schliderte eine Mutter den Konflikt zwischen realen Schulleistungen und virtueller Freizeitbeschäftigung.

Klar ist: Es gibt weder „das Computerspiel“, noch den typischen Spieler, erklärten der Ober-Rodener Computerspieler Martin Müller und Patrick Schönfeldt vom Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler. Der Zusammenschluss der deutschen „Gamer“ wurde erst im Juli dieses Jahres gegründet und zählt bereits annähernd 1000 Mitglieder. Neben Interessenvertretung und Beiträgen zur politischen und gesellschaftlichen Debatte gehen die Verbandsvertreter auch an Schulen und in Jugendeinrichtungen und informieren Lehrer, Eltern und Jugendliche vor Ort über die Inhalte dieser für viele fremden virtuellen Welt.

Sie plädierten vor allem für mehr Offenheit und Interesse von Seiten der Eltern an den Online-Aktivitäten ihrer Kinder, gleichzeitig aber sehr wohl für die Verantwortung: Altersfreigaben und konkrete, aber flexibel angewandte Absprachen über die spielerische Nutzung des PC vor allem in der Pubertät halten erfahrene Gamer für essenziell. Viele, vor allem junge Gamer hätten auch selbst ein Interesse, mit ihren Eltern darüber ins Gespräch zu kommen. Das erfordere Fingerspitzengefühl, denn vor allem für Jugendliche heißt die Benutzung von PC und Internet auch: Privatsphäre und Selbstinszenierung. Beide seien, so der Ober-Rodener Gemeinde- und Medienpädagoge Frank Daxer, wichtig für die Persönlichkeitsbildung.

Vor einer zu frühen und unkontrollierten Nutzung des Mediums Computerspiel warnte auch Werner Damm: „Eltern müssen nicht selbst spielen, aber die Spiele kennen“ und ihre Kinder anleiten, die Balance zwischen virtueller und realer Welt zu halten. Der Pädagogische Leiter der Nell-Breuning-Schule, selbst Vater von vier Söhnen, steht den Argumenten der Online-Generation kritisch gegenüber. Er warnte unter anderem vor der Gefahr, in Abhängigkeit zu geraten. Rund zehn Prozent aller Computerspiele zeigten Anzeichen eines Suchtverhaltens, zitierte Damm entsprechende Studien.

Auch der soziale Druck in Cliquen oder Spiel-Teams (so genannten „Clans“) sei immens. Ebenso seien viele Spiele darauf angelegt, ihre Nutzer „für möglichst langes Durchhalten am PC“ zu belohnen. Auch Damm sieht die Verantwortung hauptsächlich bei den Eltern: „Lehrkräfte haben weder die Fachkompetenz noch ausreichend Zeit, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Vielmehr seien Schule und virtuelle Spielewelt „getrennte Lebenswelten, die immer weiter auseinanderdriften“.
Frank
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Ablauf und Themen

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Ablauf
1. Begrüßung und Vorstellung des Podiums
2. Kurzreferat: Frank Daxer
3. Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum
4. Zusammenfassung und Abschluss

Themenbereiche und Fragestellungen

1. Faszination des Computerspiels
• Was macht den Reiz an Computerspielen und digitalen Welten aus?
• Warum werden Computerspiele anderen, vermeintlich „sinnvolleren“ Freizeitbeschäftigungen vorgezogen?
• Gibt es den Typus des Computerspielers, und wenn ja, wie sieht er aus?

2. Wirkung von Computerspielen
• Wie stark sind digitale Welten im Alltag von jungen Menschen verankert?
• Welche physischen Auswirkungen sind im Zusammenhang mit dem Computerspielen zu beobachten?
• Welche Kompetenzen werden durch Computerspiele vermittelt? Können diese Kompetenzen auch oder besser durch andere Aktivitäten vermittelt werden?
• Ist die an Computerspielen verbrachte Zeit verschwendete Zeit?
• Wo verläuft, zeitlich und psychisch gesehen, die Grenze zwischen verantwortbarem Spiel am Computer oder der Konsole und den ersten Merkmalen einer ungesunden Sucht?
• Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich im Kontext von Computerspielen auf kommunikativer und kreativer Ebene (z. B. Communities, Foren, Moddings etc.)?

3. Verantwortung und Kommunikation
• Wo können und sollten Kommunikationsräume zwischen spielenden Jugendlichen und den Erwachsenen ihres Umfelds entstehen, um über den Inhalt und die Möglichkeiten von Computerspielen und über die Kritik an ihnen zu sprechen?
• Welche Verantwortung tragen Eltern, den Computerspielkonsum ihrer Kinder zu kontrollieren und sich damit auseinander zu setzen?
• Wie steht es um die Verantwortung der Computerspielindustrie? Werden Spiele vorsätzlich mit suchtbegünstigten Elementen und „reißerischen“ Inhalten versehen, um für höheren Umsatz zu sorgen?
• Wie stark muss die Politik den Markt für Computerspiele in Hinblick auf Inhalte und Marketingstrategien regulieren?
Frank
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Impulsreferat

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Computerspiel: Für die einen ist es faszinierend und unterhaltsam für die anderen unverständlich und erschreckend. Die einen wünschen sich mehr davon, die anderen es möge gar nicht existieren.
Computerspiel ist ein Phänomen. Ich wage zu behaupten, dass es sogar eines der interessantesten Phänomene unserer Zeit ist. Die Diskussion darum jedenfalls ist vielschichtig und greift unterschiedlichste Themen und Aspekte auf. Wer meint, es ginge dabei nur um die Bewertung und Einordnung eines neuen Unterhaltungsmediums und dessen Chancen und Gefahren, der verkennt die Zusammenhänge. Im Grunde geht es um viel mehr. Unsere Zukunft steht sozusagen auf dem Spiel. Denn Computerspiele sind Höhepunkt und Ausdruck von technologischen aber auch kognitiven Entwicklungen, die uns und unsere Lebenswelt intensiv prägen und verändern. Unser Leben spielt sich nicht länger nur in realen Räumen ab. Virtuelle Räume sind dazu gekommen und wirken auf uns ein. Immer mehr Menschen haben sich auf das Spiel in diesen Räumen eingelassen. Die Frage, ob und wie das die Entwicklung des Menschen beeinflusst, können wir heute nicht mal ansatzweise beantworten.

Doch zunächst zu den Fakten: 55,6 Millionen Computerspiele sind im Jahr 2008 in Deutschland verkauft worden, 8% mehr als im Jahr zuvor. Das entspricht einem Umsatz von 1,566 Milliarden Euro. Tendenz weiter steigend. Computerspiele sind damit nicht nur ein Massenmedium sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Und es wird nicht nur gekauft, sondern auch gespielt. An allgemeingültige statistische Werte zum Computerspiel zu kommen ist nicht so einfach. Ich denke allerdings, dass sie kaum einen Menschen unter 30 Jahren in Deutschland finden werden, der noch nie Kontakt mit dem Medium hatte. Immerhin besitzen im Jahr 2008 laut statistischem Bundesamt über 75% aller Haushalte einen Computer und 50% haben ebenfalls einen Breitband-Internetanschluss.
Speziellere Angaben liefern beispielsweise Online-Games, allen voran die unangefochtene Nr. 1 der Online-Rollenspiele „World of Warcraft“. Inzwischen spielen allein in Europa 2 Millionen Abonnenten, weltweit sind es über 10 Millionen. Auch im Bereich des sportlichen Wettkampfs, des so genannten eSport, finden sich genauere Zahlen. So verzeichnet beispielsweise die Electronic Sports League, die wichtigste und größte eSport-Liga weltweit über 2 Millionen Mitglieder.

In Anbetracht dieser Entwicklungen ist es kein Wunder, das Computerspiel in den letzten Jahren zu einem wichtigen Thema geworden ist. Zu einem wichtigen Thema für Wirtschaft und Werbung, … für Forschung und Wissenschaft, … für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene und sogar Senioren. Umso bedauerlicher ist es, dass es gerade extreme Einzellfälle und Geschichten sind, die immer wieder in den Medien präsentiert werden und zu plakativen Äußerungen und überzogenen Reaktionen führen. So haben sich einerseits die Fronten verhärtet und Gegner und Befürworter stehen sich unversöhnlich gegenüber. Andererseits scheinen viele Menschen dem Thema gleichgültig gegenüber zu stehen. Sowohl das eine wie das andere wird uns nicht weiterbringen. Von daher ist eine kritische und konstruktive Diskussion unabdingbar.

Im Folgenden will ich einige der Gegensätze aufgreifen, die wir am heutigen Abend zur Sprache bringen wollen:

1. Punkt: Die Bedeutung des Computerspiels
„Computerspielen ist Zeitverschwendung!“ sagen die einen, „ein sinnloses Tun, kindisch und ohne Nutzen.“
„Computerspielen ist Selbstverwirklichung!“ sagen die anderen, „eine faszinierende Freizeitbeschäftigung, die viel zu bieten hat.“
Die einen wollen Computerspiele verdrängen und reizvolle Alternativen bereitstellen. Sie meinen Computerspiele seinen lediglich ein Füllmedium, das Defizite kompensiert, die es zu beseitigen gilt.
Die anderen sehen in Computerspielen, das Unterhaltungsmedium der Zukunft, das völlig neue Erfahrungen ermöglicht, den menschlichen Horizont erweitert und die Qualität menschlichen Erlebens auf eine neue Stufe hebt.
Krise gegen Utopie!

2. Punkt: Die Wirkung von Computerspielen
„Computerspiele sind gefährlich!“ bekommen wir immer wieder zu hören.
„Wer spielt wird dick, einsam und aggressiv. Schule und Beruf werden vernachlässigt, soziale Kompetenzen verkümmern. Realitätsflucht, Sucht, Amoklauf …“
Oder ist das alles Unfug?
„Computerspiele bieten doch nur harmlose Spielräume! Sie haben keinen Einfluss auf das Verhalten im richtigen Leben. Sie dienen lediglich der Entspannung und um sich mal auszutoben. Wenn überhaupt, dann regen sie die Kreativität an und geben uns ein gutes Gefühl. Außerdem verbinden sie Menschen und schaffen soziale Netzwerke.“
Panikmache gegen Verharmlosung!

3. Punkt: Wer trägt die Verantwortung?
Die Spieler selbst? Sie wissen doch am Besten, was sie wollen und was sie aushalten. Wir haben ja alle gelernt zwischen Spiel und Realität zu unterscheiden.
Oder die Eltern? Sie sollten doch verantwortlich sein für die Mediennutzung ihrer Kinder und sie sollten sie vor schädlichen Einflüssen bewahren!
Oder die Schule? Wo sonst sollen Medienkompetenz und kritisches Denken vermittelt werden?
Oder muss die Politik eingreifen und uns schützen vor den Gefahren virtueller Spielwelten.
Vielleicht trägt auch die Industrie die Verantwortung für das, was sie uns zumutet. Müssen nicht hier moralische Prinzipien greifen und eine Orientierung an gesellschaftlichen Normen und Werten passieren!
Kontrolle gegen Selbstverwirklichung!


Computerspiele ermöglichen das Eintauchen in virtuelle Welten und geben den Spielern die Möglichkeit in diesen Welten zu interagieren. Es wird gebaut, gekämpft, gestaltet, gesteuert uvm. Dabei hat es keine Konsequenzen für die reale Welt für mein reales Leben, ob ich mit einem virtuellen Auto gegen einen virtuellen Baum fahre oder der virtuelle Bürgermeister einer virtuellen Stadt bin.
Computerspiele erweitern meine Lebenswelt in einen virtuellen Raum hinein. Dort kann ich etwas erleben und wahrnehmen. Oftmals sogar etwas, was ich sonst nie erleben könnte, was mir sonst verwährt wäre oder was gar nicht wirklich möglich ist. Ich kann durch Gebäude spazieren, die von Escher entworfen sein könnten und die den Gesetzen der Physik wiedersprechen. Ich kann Pilot sein und einen Jumbojet fliegen. Gefühle stellen sich ein, ich werde emotional angesprochen. Das ist nicht irreal oder abstrakt sondern Teil meines (Er-)lebens.

Computerspiele sind Spiele. Im engeren Sinne tragen sie damit ihren Sinn in sich selbst. Ich spiele nicht, um dies oder das zu erreichen oder zu lernen. Ich spiele um des Spielens Willen. Frei von äußeren Zwängen oder Ansprüchen nehme ich mir eine Auszeit vom Alltag und gebe mich Ganz der Lust am Spiel hin.
Das Spiel kein kindisches Bedürfnis, kein sinnloses Tun, keine Zeitverschwendung ist, hat die Spieltheorie, die Spielpädagogik schon lange vor dem Computerspiel formuliert. Vielmehr ist es so, dass wir im Spiel doch etwas lernen und darüber hinaus unsere kreativen Potenziale abrufen und unsere Denkfähigkeiten trainieren. Die Bedeutung des Spielens für kulturelle bzw. gesellschaftliche Entwicklungen und innovative Entwicklungen in allen Bereichen menschlicher Schaffenskraft ist nicht zu unterschätzen.

Computerspiel wird vielfach als egozentrisches bzw. authistisches Tun bezeichnet. Ein Spieler verbindet sich mit einer Maschine wird der Welt entrückt. Er ist allein, ganz auf sich selbstbezogen und bleibt im Spiegel des Computers ganz auf sich zurückgeworfen.
Andererseits sind Computerspiele ein soziales Geschehen auf verschiedensten Ebenen. Nicht nur dass Spiele verstärkt miteinander gespielt werden, sei es in realen oder virtuellen Kommunikationsräume. Auch die soziale Interaktion rund um die Spiele hat einen hohen Stellenwert. Communitys, Foren, Clans und Gilden zeugen davon. Und auch die gute alte LAN-Party bleibt im Zeitalter schneller DSL-Verbindungen eine reizvolle Veranstaltung.

Aber was macht eigentlich die Faszination von Computerspielen aus. Es sind verschiedene Aspekte bedeutsam. Computerspiele geizen nicht mit Reizen, könnte man sagen. Zunächst ist es die Virtualität, die Menschen in ihren Bann zieht. Sie gibt uns die Möglichkeit Dinge zu tun, die eigentlich unmöglich sind. Es gibt keine Konsequenzen, keine Endgültigkeit. Selbst der Tod ist nur ein neuer Anfang. Dann geht es um das Ausleben bestimmter Emotionen, die mit Begriffen wie Macht, Aggression und Angst verbunden sind. Gute Spiele präsentieren uns darüber hinaus Erfolgserlebnisse und Glücksmomente in Serie. Hinzu kommen Technikfaszination, Interaktivität, mitunter auch das Aufbegehren gegen gesellschaftliche Vorstellungen oder der Reiz des Verbotenen.
Vielen geht das zu weit. Die Faszination des Computerspiels sprengt die Grenzen und zieht uns in einen Strudel der Abhängigkeit. Nur allzu schnell werden wir süchtig danach, verlieren uns selbst im virtuellen Paradies und gehen unter im Rausch der unendlichen Möglichkeiten. Das reale Leben wird verdrängt, Familie, Schule und Beruf vernachlässigt. Über die Frage, wie groß die Gefahr wirklich ist, wird heftig gestritten.

Frank Daxer, Medienpädagoge
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